d&b Soundscape lässt Klassik am Odeonsplatz leuchten.

© Alex Cevolani

Open-Air-Klassikkonzerte erfreuen sich seit vielen Jahren großer Beliebtheit. Die besondere Mischung aus entspannter Atmosphäre und den großen Namen der Klassikwelt hat ihren ganz eigenen Reiz. Wenn dann auch noch das Wetter mitspielt, ist der Sommerabend unter freiem Himmel perfekt. Zu den größten und renommiertesten Veranstaltungen zählt die Reihe „Klassik am Odeonsplatz“ in München (Veranstalter: Pro Events Veranstaltungs GmbH). Seit 2000 spielen hier das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Münchner Philharmoniker mit wechselnden Dirigenten und Solisten vor bis zu 8.000 Zuschauern in der beeindruckenden Feldherrnhalle in der Münchner Innenstadt. Als technischer Dienstleister für Ton, Licht, Rigging & Co. fungierte von Beginn an Neumann & Müller um Projektleiter Rudolf Pirc, die auch in diesem Jahr wieder eine objektbasierte Beschallung mit dem immersiven d&b Soundscape-System realisierten.

Viele Klassik-Open-Airs stehen vor einer Herausforderung: Wer es gewohnt ist, die besten Orchester und Solisten in akustisch perfekten Konzertsälen ohne Verstärkung zu hören, kann enttäuscht sein, wenn der fein differenzierte Klang eines Orchesters über eine Beschallungsanlage wiedergegeben wird, die den natürlichen Raumklang lediglich in Stereo abbildet.

Unser Klangideal ist der klassische Konzertsaal, jedoch im übertragenden Sinn. Das Hören muss zum Sehen passen. Der Odeonsplatz ist ein riesiger Raum. Es wäre unnatürlich, wenn es wie in einem kleinen Konzertsaal klingen würde. Es geht vielmehr um die Wirkung auf das Publikum, das den Eindruck erhalten soll, alles direkt von der Bühne zu hören. Dabei hilft uns Soundscape enorm.
Michael Kennedy, FoH Engineer

Der nächste Sprung – Mono, Stereo, Soundscape

Bereits zum zweiten Mal setzt Neumann & Müller bei „Klassik am Odeonsplatz“ auf das komplette d&b Soundscape-System, bestehend aus der DS100 Signal Engine, En-Scene als Software-Modul für die objektbasierte Positionierung und En-Space zur Anpassung der akustischen Umgebung. „Für mich ist objektbasiertes Mischen der nächste große Schritt in der Beschallungstechnik“, ist sich Michael Kennedy sicher. 

Der Sprung von Stereo auf Soundscape ist vergleichbar mit dem damaligen Sprung von Mono auf Stereo. Ich bin überzeugt, dass wir irgendwann nur noch objektbasiert mischen und beschallen werden, da es in jeder Hinsicht besser ist.
Michael Kennedy, FoH Engineer

Die Aufgabenverteilung der langjährigen FOH-Kollegen basiert auf viel Erfahrung und ist klar definiert: „Michael bereitet das Pult für mich vor und kümmert sich um die beschallungstechnischen Aspekte, damit ich mich voll und ganz auf die Klangbalance des Orchesters konzentrieren kann“, so Jörg Moser, Tonmeister beim Bayerischen Rundfunk.

Früher musste ich mich zusätzlich um die Verteilung der Musiker und Orchestergruppen durch Panning im Stereomix kümmern. Dank Soundscape kann ich mich jetzt voll auf die musikalischen Feinheiten fokussieren.
Jörg Moser, Tonmeister Bayerischer Rundfunk

Als Referenz dienen Jörg Moser die mehrtägigen Orchesterproben, die der Tonmeister im Herkulessaal der Münchner Residenz und in der Isarphilharmonie besucht.

Gut aufgehoben – Monitoring mit En-Space

© Alex Cevolani
© Alex Cevolani

Neben der Beschallung des Publikums auf dem Odeonsplatz sitzen auch die Orchestermusiker und der Dirigent in einer En-Space-Umgebung. Im Gegensatz zu einem klassischen Wedge-Monitoring hat Neumann & Müller 31 Lautsprecher rund um die Musiker verteilt, die mittels Soundscape und insbesondere En-Space, eine „Virtual Acoustic Shell“ erzeugen und damit die Funktion der Reflexionsflächen der (nicht vorhandenen) Wände übernehmen. „Wir versuchen, einen konkreten Raum nachzubilden, damit sich die Musiker beim Spielen wie in ihrer gewohnten Umgebung, also einem Konzertsaal, hören und fühlen“, erklärt Lucas Zwicker, der für das Monitoring verantwortlich ist. Ohne diese Unterstützung würden die natürlichen Reflexionen der Feldherrenhalle zu spät ankommen und das Zusammenspiel des Orchesters beeinträchtigen. „Das Ergebnis ist sehr gut und vor allem sehr schnell sehr gut.“ Auch für Jörg Moser ergeben sich daraus entscheidende Vorteile für alle Beteiligten: „Wenn sich die Musiker akustisch gut aufgehoben fühlen und sich gegenseitig gut hören können, muss ich am Pult die Balance der Stimmen deutlich weniger korrigieren. Dies betrifft vor allem die Holzbläser, die über eine riesige Dynamik verfügen.“

Durch die aufwendige Mikrofonierung und Verteilung der einzelnen Kanäle im virtuellen Raum haben die Künstler auf der Bühne zudem mehr Möglichkeiten, auf den Monitor- und/oder FOH-Mix zu reagieren. 

Im Idealfall ‚merkt‘ das Orchester gar nicht, dass wir etwas Besonderes machen, sondern fühlt sich mit dem Soundscape-Klang einfach wohl. Trotzdem ist es für die Künstler wichtig zu wissen, dass sie gegebenenfalls Einfluss nehmen können, falls sie Änderungswünsche haben.
Lucas Zwicker, Monitoring Engineer

Besonders die Dirigenten – absolute Spezialisten, wenn es um die räumliche Anordnung von Klangquellen geht – zeigen immer wieder Interesse am objektbasierten Mischen: „In diesem Jahr kam Sir Simon Rattle einen Tag vorher im Rahmen der technischen Probe zu uns an den FOH und hat sich das Soundscape-Konzept erklären lassen“, berichtet Michael Kennedy.

Die Löwen bestimmen das Nahfeld

Eine Besonderheit bei Klassik am Odeonsplatz ist das Nahfeld für die vorderen Publikumsreihen. Hier beginnt das „Reich“ von Toni Spirkl, der für die Near- und Midfill-Beschallung sowie die Positionierung der Orchestermusiker in En-Scene verantwortlich ist – und die baulichen Herausforderungen der Feldherrenhalle genau kennt: „Im Idealfall sind alle Nearfill-Lautsprecher auf einer Bühne frontal ausgerichtet, doch die Architektur der Feldherrenhalle lässt dies nicht zu.“ Aufgrund der zentralen Freitreppe, die zu beiden Seiten von zwei Löwen-Statuen auf Podesten flankiert wird, richtete Toni Spirkl die mittleren Nearfill-Lautsprecher seitlich versetzt aus und erstellte für die Nearfills zwei separate Funktionsgruppen, um die Lautsprechergruppen in Soundscape zusammenzufassen und komfortabel anzusteuern. „Jede Funktionsgruppe bildet das Orchester komplett ab, einmal für die linke und einmal für die rechte Publikumsseite. Das funktioniert wunderbar, auch ohne klassische Center-Lautsprecher.“

Optimierung der Klangqualität

Für Dominic Grimm von d&b audiotechnik, der als Support die Produktion seit vielen Jahren betreut, zeigt sich die Qualität von Soundscape und der objektbasierten Mischung sowohl in den audiotechnischen Details als auch im übergeordneten Produktionsablauf: „Wir feilen jedes Jahr an den Feinheiten des Gesamtsystems, um das Ergebnis noch besser zu machen.“ Ein Beispiel dafür ist die individuelle Handhabung der Solisten – ob Sänger oder Instrumentalisten – in En-Space: Neben der Möglichkeit, komplette Summen auf den Nachhall zu schicken, füttern wir diesen auch mit Einzelobjekten, um etwa den Sängerinnen und Sängern eine noch präzisere Stufung zu verleihen.“ Auch die Einrichtungszeit des Systems hat sich durch die Integration von En-Space enorm verkürzt. „Das gesamte Team arbeitet seit vielen Jahren unverändert zusammen und verfügt über einen gewaltigen Erfahrungsschatz für diese Veranstaltung. Mit En-Space und seiner nahtlosen Integration in die DS100 Hardware und den gesamten d&b Workflow verläuft die Vorproduktion und die Einrichtung hier vor Ort um ein Vielfaches einfacher und schneller.“

Durch Soundscape wird die technisch wahrnehmbare Komponente für das Konzertpublikum immer stärker reduziert und das immersive Erlebnis – das Eintauchen in die Musik und die Performance auf der Bühne – verstärkt. Ein Beispiel hierfür war eine Besucherin, die in der Pause des zweiten Konzerttags plötzlich am FOH stand und Tonmeister Jörg Moser auf den Sound ansprach. Der Klang wirkte so rein und unverfälscht, als käme er direkt von der Bühne – ein besseres Kompliment für ein objektbasiertes Beschallungssystem kann man sich kaum vorstellen.

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