Bei der Neuauflage von Mary Poppins im Sydney Lyric Theatre kommt objektbasiertes Audio voll zum Einsatz.

Echte Quantensprünge bei der Entwicklung und beim Einsatz von Beschallungsanlagen sind selten. Aber jetzt zeichnet sich einer ab. Das d&b Soundscape System hat die Grenzen des Möglichen gesprengt und bietet eine innovative und höchst spannende Lösung für den Touring-Sound, insbesondere bei Theateraufführungen. Eines der ersten kompletten d&b Soundscape Systeme in Australien wird dank Sir Cameron Mackintosh und der Rückkehr von „Mary Poppins“ ins Sydney Lyric Theatre eingesetzt. Die Neuauflage des Musicals bietet eine neue und aufregende Version des Musicals. Dabei spielt das d&b Soundscape System eine wichtige Rolle für das Klangerlebnis.

In gewisser Weise hat die „Magie“ des Theaters in den letzten Jahren durch die unübersehbare Technologie, die bei Großproduktionen eingesetzt wird, etwas gelitten. Doch das ändert sich jetzt. Das Erlebnis mit Soundscape lässt sich am besten so beschreiben, dass der Veranstaltungsort aus der Perspektive des Zuhörers zu einer großen Klanglandschaft wird, die das Publikum einhüllt und bei der zugleich keine punktuelle Audioquelle mehr wahrgenommen wird. Das Beschallungssystem verschwindet völlig aus dem Bewusstsein und der Zuhörer taucht voll und ganz in die Aufführung ein. Man könnte sofort Vergleiche mit Dolby Surround ziehen, was aber nicht ganz zutreffend ist. Bei der Programmierung von Dolby Surround geht es meist um den Effekt, also darum, bestimmte Klänge im Publikum und um das Publikum herum zu erzeugen und zu „platzieren“, um so eine maximale Wirkung zu erzielen; Soundscape kann das ebenfalls, aber das ist nicht das primäre Ziel.

Stattdessen geht es darum, jede am Mix beteiligte Schallquelle räumlich genau zu platzieren, und zwar entsprechend der Position der Schallquelle auf der Bühne (oder abseits), d. h. links und rechts, in der Tiefe und einschließlich aller Bewegungen – für jeden Sitzplatz im Publikum. Und das alles, ohne dass man eine bestimmte Lautsprechergruppe hört oder überhaupt irgendwelche Lautsprecher bewusst wahrnimmt. Das Publikum taucht vollkommen in die Klanglandschaft ein, anstatt sie als große Front wahrzunehmen. Systemdesigner Paul Gatehouse bringt es auf den Punkt: „Was man sieht, ist das, was man auch hört.“

Die Soundscape-Formel besteht aus drei Hauptkomponenten. Erstens die physische Beschallungsanlage und die platzierten Lautsprecherelemente; dabei handelt es sich um Standardprodukte von d&b und nicht um spezielle Soundscape-Produkte. Anstelle der heute üblichen LRC-Cluster-Positionierung, bei der sich möglicherweise Cluster auch im hinteren Teil des Saals befinden, wird ein viel komplexeres System von Einzellautsprechern über und unter dem Proszeniumsbogen und dann auch im gesamten Saal installiert, um eine vollständige 360-Grad-Abdeckung des Raums zu erreichen. So entsteht ein Klangfeld, das für das Konzept von Soundscape entscheidend ist, im Gegensatz zu den traditionellen L/R-Arrays, wodurch eine gewisse Kontrolle und ein nahezu gleicher Schalldruckpegel über die gesamte Hörerfläche möglich ist. Natürlich gehört auch ein gewisses Maß an Rigging dazu, allerdings handelt es sich dabei meist um einzelne Elemente, die aber weniger herausfordernd sind, als man vielleicht meinen könnte.

Als Nächstes kommt das Herzstück des Soundscape- Konzepts, die d&b DS100 Signal Engine mit ihren Komponenten En-Scene und En-Space. Mit der DS100 ist das Design der Beschallungsanlage und die Übertragung jedes Sounds „objektbasiert“. Für die meisten Toningenieure ist das kein geläufiger Begriff. Man muss sich das so vorstellen: Alles, was in der Mischung enthalten ist, kann als „Objekt“ zugewiesen werden. So kann ein Solo-Sänger, ein Chor-Ensemble, der Schlagzeuger der Band, das gesamte Orchester… einfach alles über einen einzelnen Kanal oder einen Mix-Gruppe als Objekt festgelegt werden. Mit jedem DS100 können 64 verschiedene Objekte verwaltet werden.

Die DS100 übernimmt die projizierte Platzierung und Bewegung dieser Objekte und passt die Verteilung der Audiosignale über das gesamte Lautsprechersystem so an, dass jeder Zuhörer im Publikum das „Objekt“ wie in echt wahrnimmt. So kann sich beispielsweise ein Solodarsteller, der als Objekt definiert ist, von links hinten nach rechts vorne auf der Bühne bewegen. Dabei wird das von der DS100 verarbeitete Mischsignal für das gesamte Lautsprecherarray im Handumdrehen angepasst, um die Position des Darstellers präzise wiederzugeben. Im Grunde genommen handelt es sich um einen Schwenk von links nach rechts, der auf einer X-Y-Achse auf den n-ten Grad genau in das Klangfeld übertragen wird. Das Tracking kann manuell stattfinden – was ein gewisser Aufwand ist – oder es kann vorprogrammiert sein. Im Fall von Mary Poppins wird es mit TiMax Tracker D4-Sensoren automatisiert, die von den Darstellern getragen werden und mit der DS100 verbunden sind.

Man sollte bedenken, dass nicht alle Objekte in Bewegung sein werden. Einige, wie z. B. das Orchester, sind statisch, nachdem vielleicht die verschiedenen Objektbereiche der Band (Bläser, Blechbläser usw.) effektiv im Klangfeld platziert wurden. Es ist also nicht so, als würde man 64 Katzen auf der Bühne umherjagen (aber andererseits… wenn man an „Cats“ denkt). Das wirft die Frage auf, ob die Objektzuordnung in den Händen einiger, sagen wir mal, ehrgeiziger Regisseure möglicherweise zu kompliziert werden könnte. „Nein, überhaupt nicht“, sagt Gatehouse.

Mary Poppins ist ein eher etabliertes märchenartiges Musical mit einem großen Disney-ähnlichen, cineastischen Flair, das aber immer noch traditionell ist. Wir haben aber auch schon modernere Produktionen realisiert, bei denen der Kreativität keine Grenzen gesetzt waren, und Soundscape hat mit dem Objekt-Tracking ein paar ganz neue, fantastische Effekte ermöglicht und für einen echten Ohrenschmaus gesorgt, wenn man so will.Paul Gatehouse, Systemdesigner

„Es hängt zwar immer von der Show ab, aber wenn man die Gelegenheit hat, gibt es vielfältige Möglichkeiten und man hat nie das Gefühl, dass jemand es zu weit treiben könnte.“

Die dritte Komponente des Soundscape Systems ist En-Space. d&b beschreibt es als „Software-Modul zur Erweiterung oder zur Bildung einer akustischen Umgebung, drinnen oder draußen, basierend auf einer Faltung der Audiosignale…“. Den Rest kann man sich denken – es handelt sich um einen mehrkanaligen 3D-Faltungshall, der die Position der Schallquelle auf der Bühne mit ortsspezifischen frühen Reflexionen verstärkt.

Der Gedanke dahinter ist, eine subtile Wärme und Atmosphäre an Veranstaltungsorten zu erzeugen, an denen es keine natürlichen Klangfarben gibt, wie z. B. bei Veranstaltungen im Freien. Aber auch wenn der Raum eine ganz eigene Atmosphäre hat, kann En-Space als kreatives Tool eingesetzt werden. Gatehouse wendet En-Space häufig auf bestimmte Teile des Orchesters an, die mit dem geschlossenen Orchestergraben nicht so gut zurechtkommen. Außerdem wechselt er auch die Algorithmen je nach Genre oder Tempo der Musik.

Es handelt sich um einen der besten Nachhalle, die ich je gehört habe. Das liegt an dem intensiven Prozess, den d&b durchgeführt hat, um ihn zu erzeugen. Er ist unglaublich detailreich und klar, und natürlich sehr nützlich, wenn man sich in einem Veranstaltungsort ohne eigenen Charakter befindet. Selbst in einem guten Raum wird alles miteinander in Einklang gebracht.Paul Gatehouse, Systemdesigner

Es ist offensichtlich, dass d&b Soundscape verschiedenste klangliche Möglichkeiten für eine Vielzahl von Aufführungen bietet, aber wie gut schlägt sich das System auf einer Tour? Die Antwort liegt in dem Workflow, bei dem Soundscape zuerst für die Show programmiert und konfiguriert wird und dann das Design der Beschallungsanlage folgt, um das Klangfeld zu erzeugen. Mit anderen Worten: Ein Großteil des Sounddesigns bezieht sich auf die Produktion selbst und lässt sich von einem Veranstaltungsort zum nächsten übertragen. Die Logistik für die Installation der Lautsprecherelemente ist eine relativ unkomplizierte technische Herausforderung, wie bei jedem Veranstaltungsort. Anschließend wird die Beschallungsanlage entsprechend abgestimmt. Es gibt kein großes Umprogrammieren und Umgestalten von einem Veranstaltungsort zum nächsten, obwohl das auch eine Chance bietet, das Leistungsspektrum von Soundscape weiter zu steigern.

Ursprünglich haben wir das [Soundscape] System in London eingesetzt. Damals war es noch relativ neu. Seitdem entdecken wir immer mehr Möglichkeiten bei jeder weiteren Produktion, und wir arbeiten mit d&b zusammen, um neue Features und Funktionen hinzuzufügen und Feineinstellungen vorzunehmen.Paul Gatehouse, Systemdesigner

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis d&b Soundscape (und ähnliche immersive Systeme) im Theater zur Norm werden und das Publikum überall jeden Song und jede Note in perfekter Klarheit erlebt, ohne überhaupt wahrzunehmen, wie das alles realisiert wird. Gebannt von den Darbietungen, die derart natürlich klingen, verschwindet das Soundsystem sozusagen. Gatehouse geht folgendermaßen an das Sounddesign heran: „Für mich stellt das Sounddesign bei jeder Produktion einen weiteren Charakter in der Geschichte dar. Ich tendiere nicht dazu, es zu verstecken, sondern neige eher dazu, dynamische und cineastische Geschichten mit einer detaillierten und vorwärts gerichteten Klangtextur zu erzählen.“

Die beiden Aufführungen, bei denen ich Soundscape eingesetzt habe, ‚Mary Poppins‘ und ‚SIX‘, unterscheiden sich stilistisch völlig voneinander, aber beide erfordern einen gewaltigen Sound. Dabei ermöglicht mir die Palette von Soundscape, diese realistischen Klangwelten mit Präzision und viel Detailreichtum in den gesamten Hörbereich zu übertragen.Paul Gatehouse, Systemdesigner

Dank d&b Soundscape erlebt Mary Poppins wieder die wahre Magie des Theaters.

Vielen Dank an das NAS / AV Technology Asia Pacific Magazine für die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels.

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