Stabat Mater in neuem Klang.

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Artikel von Mike Clark, erste Veröffentlichung in der Ausgabe von LSi vom September 2018.

Von den weltweit zahllosen Veranstaltungen zum Gedenken des 1868 verstorbenen Komponisten Gioachino Rossini war die Aufführung seines Stabat Mater in Bologna – einer wichtigen Wirkungsstätte des großen Maestro – aus technischer Sicht und in Bezug auf den Ort eines der ungewöhnlichsten Events. In einem hochsymbolischen Konzert wurde unter der Leitung von Michele Mariotti Rossinis Stabat Mater im gleichnamigen Saal des Palazzo dell‘Archiginnasio dargeboten. Im Archiginnasio, einst Sitz der Universität, hatte im März 1842 die italienische Uraufführung des Werkes unter dem Dirigat von Gaetano Donizetti stattgefunden.

Donizetti erzählte später, dass er Rossini gewissermaßen hatte zwingen müssen, wenigstens die dritte Aufführung im Archiginnasio zu besuchen, nachdem der in Pesaro geborene Komponist an den ersten beiden Abenden trotz großer Begeisterung des Publikums aus lauter Nervosität ferngeblieben war. Da der Saal nun mit einem 20-köpfigen Orchester, Chor und Soloquartett zu klein war, um auch noch das Publikum zu fassen, wurde das Konzert im Teatro Comunale live auf eine Kinoleinwand projiziert und mit Playback über d&b Soundscape zu Gehör gebracht, was – wie für Rossinis Komposition 176 Jahre zuvor – das offizielle Debüt für dieses System in Italien war.

Seit 2013 ist der italienische Verleiher BH Audio einer der wichtigsten d&b Partner, die damit betraut waren, entscheidende Betatests auf der Plattform durchzuführen, die schließlich Soundscape werden sollte. Offiziell wurde Soundscape im Februar 2018 auf der ISE in Amsterdam eingeführt. Diese Lösung kombiniert geschickt d&b Lautpsrechersysteme mit moderner leistungsstarker Signalverarbeitung, objektbasiertem Mischen und ausgeklügelter Raumemulation, um ein natürliches, harmonisches und fesselndes Hörerlebnis für das Publikum zu erzeugen. BH Audio hat mit dem System Betatests unter anderem bei Aufführungen im Veranstaltungssaal Pala de André im Rahmen des Ravenna Festivals durchgeführt, so bei Yo-Yo Ma, Enrico Rava und Ute Lemper, überdies bei so renommierten Orchestern wie den Sankt Petersburger und den Münchner Philharmonikern, dem Festival Orchester Budapest, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg und dem Orchester des Musikfestivals Maggio Musicale Fiorentino. Tests wurden auch im Teatro Alighieri bei der traditionellen Autumn Trilogy des Ravenna Festivals durchgeführt. Ein anspruchsvolles Testgelände, um es vorsichtig auszudrücken. . . Massimo Carli, Geschäftsführer von BH Audio, erklärt den Testablauf: „Anfangs bekamen wir von d&b für Veranstaltungen lediglich einen Soundscape-Prozessor, den auch Kraftwerk bei den 3D-Konzerten einsetzte (vgl. LSi, Oktober 2017). Nach dem ersten Testjahr bekamen wir einen anderen Audio-Prozessor, den wir bis vor zwei Jahren hatten und bei dem regelmäßig Software-Upgrades vorgenommen wurden. Dann bekamen wir einen weiteren, der dem heutigen DS100 Prozessor ähnelt, aber noch immer ein Prototyp war. Selbstverständlich bekamen wir von d&b den technischen Support, vor allem im ersten Jahr hat Felix Einsiedel, einer der Entwickler, während des Aufbaus eng mit mir zusammengearbeitet.“

Im Stabat-Mater-Saal setzte das Team von BH eine Lawo Compact I/O Stagebox (32 Mic-Eingänge + 16 AES/EBU-Eingangskanäle) ein, zwei Studer D19 (jeder mit 8 Kanälen Mic Preamps mit AD-AES/EBU-Wandlern), einen „Multiverter“ (Madi – Ravenna AES67 zur Aufzeichnung des Konzerts), einen Cisco Serie 300 Netzwerkverteiler, zwei MacBook Pros mit Ravenna Merging Driver für die mehrspurige Aufnahme und vier LC/LC Multi-Mode-Glasfaserkabel, um die Stagebox an die Glasfaser-Verteilung von Lepida anzuschließen, die die Verbindung mit der Verteilung im etwa ein Kilometer entfernten Teatro herstellte. Die Lepida-AG mit Sitz in Bologna ist für Planung, Design, Entwicklung, Realisierung, Konfiguration und für das Management digitaler Telekommunikationsstrukturen und telematischer Dienste über das Glasfasernetz in der Region Emilia Romagna zuständig.

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Als Mikrofone benutzten die 20 Orchestermitglieder DPA 4023 Miniatur-Kardioid-Mikros und Schoeps CCM 4, CCM 5 und MK 4, der Chor hatte acht Neumann KM140 und die vier Solisten Schoeps MK 21. Zwei DPA 4090 wurden als Raummikros eingesetzt. In der Sala Bibbiena des Teatro Comunale bestand der FoH aus einer Lawo-mc²36-Konsole, zwei d&b DS100 Soundscape-Units mit En-Scene- und En-Space-Software, drei DS10 (Dante/AES67 auf AES3) als Verbindung zu den Verstärkern und drei Cisco Serie 300 Netzwerkverteiler zur Verfügung. Das d&b Hauptsystem hinter der großen Leinwand bestand aus vier Clustern mit je acht T10 mit ArrayProcessing und acht Groundstacks aus Y-SUBs in Sub-Array-Konfiguration. Acht weitere T10 wurden als Frontfill auf dem Boden installiert. Die En-Space-Umgebungen wurden mit 16 8S reproduziert, die um das Publikum herum vom zweiten Rang geflogen wurden. Für die Versorgung der Systeme benutzte BH Audio 24 Kanäle der 10D Verstärker (Frontfill und En-Space-Lautsprecher) und 32 Kanäle der D80 Verstärker (für das Rig der Leinwand) gelegt. Das Herz von Soundscape ist die DS100 Signal Engine, ein Hochleistungs-Audio-Prozessor mit einem Audinate Dante Audio-Netzwerk. Die DS100 stellt eine leistungsstarke 64 x 64 Audio-Matrix mit Pegel- und Delay-Funktionen und einem umfangreichen Eingangs- und Ausgangs-Processing bereit. Über zwei optionale Software-Module (En-Scene zur individuellen Positionierung und Bewegung von bis zu 64 Klangobjekten und En-Space, ein Raumemulations-Tool) haben Sound-Designer Zugang zum gesamten Potenzial von Soundscape und bekommen eine ganze Reihe leistungsstarker Instrumente zur Klanggestaltung an die Hand.

„Für alle, die das System noch nicht erlebt haben, es ermöglicht dem Publikum, die Position der Klangquelle so wahrheitsgetreu wahrzunehmen (links, rechts und auf der Bühne sowie im Parkett), als würde auf der Bühne tatsächlich ein Orchester spielen“, erklärt Carli. „Nach fünf Jahren Entwicklungszeit und exakten Feldtests mit BH Audio und anderen Partnern hat das d&b Entwicklerteam in Backnang mit Soundscape endlich die Antwort auf die Frage gefunden, die sie sich immer stellten: Wie kann man im Gegensatz zum eher selektiven Stereo-Hören allen Hörern im Publikum dasselbe natürliche, authentische Hörerlebnis bieten?“ Kurz gesagt, Soundscape ist sowohl eine erneute Bestätigung des d&b Credos „Demokratie für Zuhörer“ als auch eine gelungene Demonstration eines Eigenschaftsworts, das seit einiger Zeit extrem überstrapaziert wird, besonders im Showbusiness: immersiv.

Nach der Aufführung in Bologna war Carli begeistert. „Wir haben mit den nötigen Tests, vor allem mit den Glasfaserverbindungen weit im Voraus begonnen und das Setup zwischen dem Stabat-Mater-Saal und dem Teatro Comunale simuliert sowie Stichproben hinsichtlich eines möglichen Datenverlusts durchgeführt. Beim Setup vor Ort lief alles einfach perfekt.“

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